Der Titel dieses Kunstprojekts zitiert die 1952 erschienene Kurzgeschichte „A Sound of Thunder“ – „Ein Donnerschlag“ oder eben „Ferner Donner“ – von Ray Bradbury, einem US-amerikanischen Schriftsteller.......
Die Geschichte thematisiert den „Schmetterlingseffekt“, der wiederum das Prinzip der Chaostheorie beschreibt, wonach kleine Ursachen große Wirkungen haben können. Ein Schmetterling, der etwa im brasilianischen Urwald mit seinen Flügeln wackelt, könnte am anderen Ende der Welt einen Wirbelsturm auslösen.................
Bradburys Geschichte ist von erstaunlicher, um nicht zu sagen: bedrückender Aktualität, ...............................

 

Es sind nicht die Flügelschläge von Schmetterlingen, die seit geraumer Zeit die Welt erschüttern und nachhaltig verändern, sondern es genügt, dass die Lehman-Brüder in New York, auf einem Milliardenberg an Schulden sitzend, Pleite gehen – schon fegt ein ökonomischer Orkan über den Erdball und hinterlässt eine Spur der Verwüstung........
Das, was wir verkürzt unter Globalisierung verstehen und was von den Anbetern eines freien Marktes als Heilslehre verherrlicht wurde, hat sich in ihrer Zügellosigkeit ad absurdum geführt. Die abenteuerliche Vernichtung von Geld und Vermögen hat Millionen privater Haushalte ins Unglück gestürzt und ganze Staatshaushalte erschüttert........

Die Politik sagt: Es müssen jene die Zeche begleichen, die dieses Schlamassel angerichtet haben – und kürzt die Sozial- und Bildungsbudgets, um allerlei Bankenrettungspakete und Rettungsschirme zu finanzieren, um wiederum Ratingagenturen und Geldgebern zu gefallen.

Die Politik sagt: Es dürfen nicht die Bürgerinnen und Bürger zur Kasse gebeten werden – und sieht zu, wie eine kleine Minderheit reicher und reicher wird, die Schere zwischen Reich und Arm immer weiter auseinanderklafft.

Die Politik sagt: Wir müssen den Jungen Perspektiven geben – und weiß keine Antwort darauf, dass im vergangenen Juli  die Jugendarbeitslosigkeit bei EU-weit 25 Millionen Arbeitslosen 22,5 Prozent betrug und in einzelnen Ländern sogar beharrlich jenseits der 50-Prozent-Marke liegt.

Die Politik sagt: Es müssen den Märkten strengere Regeln verpasst und klare Grenzen gesetzt werden – doch die pfeifen ihr was und spekulieren schon wieder wild drauflos.

Die Politik sagt: Die Konsequenz aus dem Desaster muss sein, das Primat der Politik wieder herzustellen – doch sie handelt auf nationaler wie internationaler Ebene zögerlich, weil sie uneinig und schwach ist, nachdem sie zuvor leichtfertig alle Handlungsgewalt an die Märkte abgetreten hat.

Was als Bankenkrise begann, ist zu einer Finanz-, Wirtschafts- und Staatenkrise ausgewachsen. Und weil so komplex, ist totale Fixierung auf die Mehrfachkrise angesagt: Umweltzerstörung, ungezügelter Ressourcenverbrauch, Hungersnöte, Kriege, Menschenrechtsverletzungen, Kinderarbeit  um nur einige Beispiele zu nennen – alles nur noch nebensächlich angesichts der großen Krise, die die volle politische Konzentration erfordert und ohnehin nicht gelöst wird.  

Schlussendlich droht mittlerweile die Demokratiekrise, da die unübersehbare Ohnmacht der Politik allerlei Populisten und Scharlatanen beste Marktchancen eröffnet. Auf die Globalisierungspropheten folgen die politischen Heilsbringer.

Darin liegt momentan wohl die große Herausforderung, hinter der Aufarbeitung der ökonomischen Verwüstung: die Politik zu entschlossenem Handeln zu zwingen, ohne freilich aus Wut und Empörung demokratische Prinzipien zu verwerfen.

Es braucht neue Formen der bürgergesellschaftlichen Willensäußerung, des Protests bis hin zu zivilem Ungehorsam.

Weder Anpassung noch Abwendung von der Demokratie oder Verweigerung können die Antwort auf die Krisen und die ungerechte Verteilung ihrer Folgen sein, sondern es bedarf der Einmischung in jeglicher Form. Das erfordert Engagement, Courage, auch Kreativität.

Künstlerinnen und Künstlern kommt dabei eine wichtige Rolle zu, indem sie sensibler und früher als andere auf Fehlentwicklungen reagieren, diese mit ihren Mitteln thematisieren und kritisieren, in den öffentlichen Diskurs einbringen und diesen vorantreiben. Das ist beileibe nicht die einzige Funktion von Kunst, aber eine gesellschaftspolitisch eminent wichtige. Dabei dürfen die Künstlerinnen und Künstler jedoch nicht alleingelassen werden, kann die Gesellschaft nicht Wachsamkeit an sie delegieren, .....

Aktivitäten wie diese hier können nur Impuls sein, Anstoß und Aufforderung an alle, nachzudenken über die Welt, in der wir leben, und selbst aktiv zu werden. Demokratie ist nun einmal in hohem Maße Bürgerinnen- und Bürgerpflicht, kein Kunstprojekt.

Die Reaktion auf eine zynische Finanzwirtschaft und eine ohnmächtige Politik kann somit nicht Resignation sein. Jedes zivilgesellschaftliche Engagement, auch im Kleinen auf einem Hügel an der Grenze zwischen Inn- und Hausruckviertel, hat Auswirkungen, weil – im Sinne des Flügelschlages des Schmetterlings – eben nichts wirkungslos bleibt, sondern schon eine kleine Tat die Welt verändern kann.

Im Rahmen des Projekts „Ferner Donner“ setzen die beteiligten Künstlerinnen und Künstler ihre persönlichen Botschaften an konkrete Personen oder Institutionen ab.

.....Festzustellen ist, dass es sich in Summe um ein überaus originelles, künstlerisch spannendes, politisch stark aufgeladenes Statement handelt, das sich breites Interesse  und das erhoffte Echo verdient.

Und so kehren wir zurück zum Ort des Geschehens, der nicht nur Weitblick bedeutet, sondern sich sozusagen auch als Abschussrampe für die Botschaften in die Welt hinaus bestens eignet. In diesem Sinne ist der Gruppe „KunstDünger“ zu wünschen, dass die Messages, die sie aussendet, die Adressaten im Sinne des Wortes erreichen, also von diesen auch verstanden werden.

 

Gerhard Marschall
Eröffnung

 

(gekürzt durch kunst:dünger)